[24.08.10] - Westerkappeln - Der Gitarre ein paar ordentliche Akkorde zu entlocken, gut genug, um Rock- oder Punkmusik ein taugliches Fundament zu bereiten, ist keine große Kunst. Aber mit ihr ohne die Unterstützung durch andere Instrumente ein stimmiges und melodiöses Klangszenario zu erzeugen, ist schwierig und bedarf jahrelanger, wenn nicht jahrzehntelanger Übung.
Am Sonntag war im Kulturhof Westerbeck ein Mann zu Gast, der dies mit absoluter Perfektion beherrscht: Martin C. Herberg, deutscher Kult-Gitarrist. Was er seinen Zuhörern im ausverkauften Galerie-Café bot, war dazu geeignet, jenen Menschen, die das Spielen der Gitarre nur leidlich beherrschen, den Mund offen stehen zu lassen. Es darf bezweifelt werden, dass es dort draußen viele Gitarristen gibt, die ihr Saiteninstrument ähnlich virtuos beherrschen wie er.
Professor Raimund Beckmann, Chef des Kulturhofes, durfte mit Recht stolz darauf sein, Herberg, der beinahe unentwegt auf Tournee ist und am Abend zuvor noch in Leipzig gespielt hatte, nach Westerbeck gelockt zu haben. Gleich mit dem ersten Stück, einer Interpretation des „Säbeltanzes“ von Aram Chatschaturjan, stellte Herberg seinem Publikum unter Beweis, dass es mit einem Ausnahmekönner zu tun hatte.
Auch in den darauf folgenden Werken, allesamt Eigenkompositionen, holte der Meisterspieler aus seinem Instrument heraus, was heraus zu holen ist. In einer rasanten Abfolge ließ er seine Finger über die Saiten fliegen, klopfte das Instrument als Trommel nutzend auf den Holzkorpus, drehte an den Knöpfen der von ihm selbst entwickelten "Klangmaschinen", spielte einige Töne auf einer Mundharmonika und nutzte einen Metallstab als eine Art Hallkörper. Und bei alledem verstand Herberg es auch noch, zu singen und dabei ein wenig wie Tom Waits zu klingen. Immer wieder spendete das Publikum dem „Saitenwundermann“ Szenenapplaus. Als dieser dann mit dem Song „Wasser“ vielleicht den Höhepunkt des Konzerts zum Besten gab, herrschte absolute Begeisterung. Herberg hatte zuvor erklärt, dass es beim Schreiben des Werks sein Ziel gewesen sei, den Weg des Wassers von der Quelle bis ins Meer zu vertonen. Müsste die Bewältigung dieser Aufgabe benotet werden, käme man nicht umhin, Herberg eine 1+ mit Sternchen zu geben. Nach dem Schlussakkord mochte bei vielen Zuhörern das Gefühl aufgekommen sein, soeben am Meer gestanden zu haben.
"Ich bin auf Klangwolken davon getragen worden", sagte Professor Beckmann, als er die Pause einleitete.
Auch im zweiten Teil des Konzerts konnte Herberg das außerordentlich hohe Niveau halten - und stellte außerdem unter Beweis, dass er auch im Dunkeln spielen kann. Prof. Beckmann hatte spontan das gesamte elektrische Licht gelöscht und den Raum durch effektvoll verteilte Kerzen in eine geheimnisvoll schimmernde Stimmung versetzt. Doch statt jetzt „Weihnachtslieder zu singen“ kündigte Herberg harten Rock an, der in „Paint it Black“, einem Ohrwurm der Rolling Stones, seinen ersten Höhepunkt fand.
Nach einer kleinen Erzählung von seinen Lieblingsaufenthalten in Skandinavien und unter Hinweis auf das jetzt stimmige Kerzenlicht im dunklen Raum präsentierte der „Klangzauberer“ schließlich seine musikalische Interpretation der „Aurora borealis“, dem Polarlicht. Professor Beckmann: „Das waren geradezu sphärische Klänge, die die Zuhörer in eine traumhafte Welt mitgenommen haben.“
Nach zwei Zugaben folgte noch eine dritte: „Spanische Impressionen“. Ein Stück, in dem Herberg alle Register zog und seinen ganzen Körper zum Einsatz brachte: Man hörte unter den Melodien die rhythmisch stampfenden Füße der Flamencotänzerin und darüber die sirrenden Klänge der Kastagnetten.
"Eine 'One-man-show' der Extraklasse!" fasste ein Besucher zusammen. Wieder einmal ist es Professor Beckmann gelungen, einen Künstler von Format nach Westerkappeln zu holen.
T. KLEINHUBBERT in Westfälische Nachrichten
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