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'Postmoderne Beliebigkeit ist nicht mein Ding'

Öle Schmidt im Gespräch mit Martin C. Herberg

[30.01.03] - MCH hatte seinen ersten Soloauftritte in dem von Hilde Döbner gegründeten Folk-Club Witten und war Mitte der 70er Jahre u.a. als Begleitgitarrist von Manolo Lohnes auf fast allen grösseren Festivals zu Gast (Ingelheim, Mainz, Tübingen, Calw, etc.). Sein Musikstudium (76-78) beendete er vorzeitig, um mit seinem Programm "Gitarre Total" verstärkt auf Tournee zu gehen.

Der Kleinkunstpreisträger der Stadt Rheine hat bislang 6 CDs auf seinem eigenen Label veröffentlicht und seitdem 2000 Soloauftritte im In- und Ausland absolviert und eine Unzahl sehr positiver, zum Teil euphorischer Pressekritken erhalten. Seine erste, bei Günter Pauler im Stockfisch-Studio aufgenommene LP "Eruptionen" von 1979 verkaufte sich im Eigenvertrieb über 5000 mal. Die Platte wird heute noch für Hifi-Freaks in limitierten Sonderauflagen gepresst.

Ein WDR-Feature über den Künstler "on the road" wurde in 13 Ländern gesendet. Zuletzt war er in der Sendung"Hüschs Gesellschaftsabend" zu Gast, die auf sämtlichen "Dritten" Programmen zu sehen war.

Du bist mit der Folk-Szene immer schon verbunden gewesen, hast schon Anfang der 70er Jahre in vielen Folk-Clubs gespielt. Wieso feierst du gerade jetzt das 25ste?

Bei den anfänglichen Auftritten handelte es sich um Kurzauftritte. Mein erstes Solo-Konzert über die volle Distanz von 1 1/2 Stunden habe ich Anfang Mai 1975 in Marburg in der Studio-Bühne gegeben. Da diese Bühne nicht mehr existiert, habe ich dieses Jahr am gleichen Tag, genau 25 Jahre danach, ein Konzert im Folk-Club KFZ gegeben. War schon ein komisches Gefühl.

Hast Du es je bereut, Berufsmusiker geworden zu sein?

Ich glaube jeder halbwegs vernünftige Mensch sollte zuweilen sich und auch noch einiges Andere infrage stellen und jeder Wunschberuf stellt sich in der Realität doch erheblich anders dar. Ich spiele gerne, verausgabe mich gerne und ich lerne in meinem Job viele nette und interessante Menschen kennen. Nervig ist, daß man oft nicht zum Üben kommt und meistens im Auto oder am Schreibtisch sitzt. Die Vorstellung z.b. jetzt Lehrer an einer Hauptschule in einer Großstadt zu sein, bringt jedoch meine Klagen gleich zum Verstummen.

Nun zu Deiner neuen Live-Doppel-CD. Ein Großteil des Materials stammt von 2 Konzerten, die Du Mitte Dezember 99 in der "Färberei" in Wuppertal mitgeschnitten hast. Du hast versucht die - wie man so schön sagt - ganze Bandbreite Deines musikalischen Schaffens wiederzugeben. Das.heißt, es gibt folkige Balladen, Du spielst Neufassungen Deiner bekanntesten Solostücke, benutzt zum Teil elektronische Effekte und stellst auch 2 Projekte mit anderen Musikern vor.

Ich habe versucht, den Stand der Dinge zu dokumentieren. Deswegen enthält das Album auch freie Improvisationen mit Musikern, die auf meiner letzten elektrischen CD "29.3 Dreams" mitgewirkt haben, mit denen ich aber zuvor noch nie "live" zusammengespielt habe. Ein paar Sessions mit dem akustischen Blues-Rock-Trio "Wullschläger, Herberg und Roller" runden das Bild ab. Wir haben da wenig geglättet, was zum Teil eh nicht möglich war - da ich mich mit meinen Effekten ja auf der Bühne selbst mische - und versucht das spontane Moment zu erhalten. Sonst hätten wir ja gleich ins Studio gehen können.

Machst Du es Dir nicht selbst schwer, stilistisch nicht einordbar zu sein?

Ich bin nun mal so. Im Grunde sind es ja die Medien, die es mir mit Ihrem "Schubladendenken" schwer machen. Das Publikum ist an sich sehr erfreut darüber, daß es noch livehaftige Musik jenseits von Kommerz gibt. Das Hauptproblem für alle Musiker, die was Eigenständiges machen, ist, daß sie nicht oder selten im Rundfunk oder Fernsehen gespielt werden. Die versprochene grössere kulturelle Vielfalt ist ja nicht gekommen. Es war abzusehen, daß durch die Unzahl kommerzieller Sender das genaue Gegenteil eintritt. Im Grunde genommen war es noch nie so schwer wie heute.

Seid Ihr nicht genügend organisiert?

Ich bin sowohl Mitglied bei Pro-Folk als auch im Deutschen Rockmusikerverband. Aber die meisten Musiker sind nach meiner Erfahrung ziemlich weltfremd und es mangelt zuweilen schon an Solidarität. Jeder "fuckelt" so vor sich hin.
Um gewissen Machenschaften entgegenzuwirken, bräuchten wir eine viel stärkere Lobby. Wir unbekannteren Folk-,Jazz- und Rockmusiker werden beispielsweise bei der Tantiemenverteilung von der Gema durch ein skandalöses Umverteilen von unten nach oben arg gebeutelt.
Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang, daß das Justizministerium, dem die Gema unterstellt ist, da keinen Handlungsbedarf sieht und die überregionale Presse diesen Vorgang für nicht sonderlich berichtenswert hält. Dabei wäre es doch interessant mal zu erforschen, in wessen Taschen das Gema-Volumen von weit über einer Milliarde DM wandert.

Wenn ich so Deinen aktuellen Tourneeplan anschaue, scheinst Du ja mit ca.100 Auftritten ganz gut im Geschäft zu sein.

Ich bin ganz gut im Geschäft, weil die meisten Veranstalter mich immer wieder buchen. Und die Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert an sich auch ganz gut. Die Leute mögen anscheinend meine emotionale, leicht anarchistisch angehauchte Art Musik zu machen. Ich verschicke regelmässig Tourpläne und Infos an "Interessenten" und nutze das Internet um meinen Bekanntheitsgrad zu steigern. Ausserdem habe ich ja immerhin schon über 1500 Soloauftritte allein in Deutschland absolviert und bin damit wahrscheinlich Deutschlands "meister" Gitarrist.

Wie ist Dein Verhältnis zu den Kritikern?

Die Kritik neigt ja im Normalfall eher dazu, bekannte Leute zu verreißen. Ich habe selten schlechte oder gar bösartige Kritiken bekommen. Einige sind so absurd und manchmal unfreiwillig komisch, daß ich sie auf meiner Homepage veröffentliche. Was mich aber wirklich ärgert ist, wenn Kritiker schreiben, ich würde irgendwelche bekannteren Kollegen kopieren.
Insbesondere was den Einsatz perkussiver Spieltechniken, also die Benutzung des Korpus als Klangkörper usw. angeht. Auf meiner ersten LP von 1979 war schliesslich schon eine längeres "Schlagzeugsolo". Ich habe das damals aus Flamenco-Klopftechniken weiterentwickelt und in mein Spiel integriert. Das perkussive Spiel erfreut sich ansonsten ja erst seit den 90er Jahren allgemeiner Beliebtheit.

Was sind Deine Pläne für die nächsten 25 Jahre?

Ich habe noch `ne Menge unveröffentlichtes Material auf Lager und die nächste akustische Gitarren-CD ist sozusagen im Geiste schon fertiggestellt. Ich muss auch endlich mal mein langgeplantes Gitarrenbuch in Angriff nehmen und ich sollte anfangen, meine Memoiren zu schreiben. Auf jeden Fall werde ich nicht dem "Zeitgeist" folgen.
Diese "Postmoderne Beliebigkeit" ist nicht mein Ding.

Öle Schmidt in Folker

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Tourdaten

Derzeit sind keine Auftritte geplant

Lonesome Loser Records • Scheibenstraße 9 • 42115 Wuppertal